Exkursion Rom – Projektbericht

 

Erkunden an historischen Stätten

Rom in Antike und Faschismus – Geschichte und Erinnerung im Schulunterricht und auf historischer Exkursion (30.06.-06.07.2024) Kooperationsprojekt des Lehrstuhls Didaktik der Geschichte FAU mit dem Paul-Pfinzing-Gymnasium Hersbruck

Leitung: Nadja Bennewitz & Leonard Stöcklein

 

Ziele

Ziel des Projektes war es, mit einer historischen Exkursion nach Rom die erste Ausbildungsphase ertragreich mit der zweiten zu vernetzen. Der didaktische Leitsatz lautete: Erkunden an historischen Stätten! Dazu suchten die beiden Dozierenden Nadja Bennewitz und Leonard Stöcklein vom Lehrstuhl Didaktik der Geschichte des Departments Fachdidaktiken an der Friedrich-Alexander-Universität den direkten und intensiven Kontakt und den fachlichen Austausch sowohl mit als auch zwischen Lehramtsstudierenden des Lehrstuhls Didaktik der Geschichte sowie mit Schüler:innen und Lehrkräften des Paul-Pfinzing-Gymnasiums.

Ausgearbeitet wurden spezifische Formen des historischen Lernens durch selbst entwickelte didaktische Konzepte zur Erkundung historischer Orte. Vermutungen und Vorurteile in Bezug auf eine angeblich zu hohe Komplexität der Durchführung von lernzielorientierten Exkursionen sollten bei den Studierenden durch die Praxiserfahrungen in Rom abgebaut werden, selbständiges Arbeiten und die Erprobung der eigenen Lehrerpersönlichkeit den Studierenden Nutzen bringen, die beteiligten Schüler:innen von Ideen junger, angehender Lehrkräfte profitieren dürfen. Schließlich war das Ziel, die Studierenden vorzubereiten und zu ermutigen, Exkursionen solcher Art selbst auf ihrem weiteren beruflichen Lebensweg durchzuführen.

 

Inhalte

Die Rahmung des Kooperationsprojektes mit dem Gymnasium Hersbruck mit dem Ziel einer Exkursion nach Rom bildeten die zwei eng aufeinander abgestimmten Universitätsseminare von Leonard Stöcklein und Nadja Bennewitz, beides geschichtsdidaktische Hauptseminare im Aufbaumodul, mit den inhaltlichen Kernpunkten: „Geschichte unterrichten: Rom in der Antike – Geschichte und Erinnerung“ (Stöcklein) sowie „Geschichte unterrichten: Rom im Faschismus – Geschichte und Erinnerung“ (Bennewitz), die im Sommersemester 2024 von April bis Juli durchgeführt wurden und in deren Zentrum die Exkursion stand.

Die leitende Fragestellung der Exkursion war die Verknüpfung der Antike mit der Epoche des Faschismus im Allgemeinen und die Instrumentalisierung der antiken Formensprache durch die Diktatur in der faschistischen Ära zwischen 1922 und 1943 im Besonderen. Voraussetzung für eine entsprechende Beurteilung waren Kenntnisse der faschistischen Geschichte mit ihren Spezifika in Abgrenzung zur NS-Geschichte sowie die Erarbeitung der antiken Formensprache, die wiederum Grundwissen der antiken Geschichte voraussetzte. Dadurch sollten Schüler:innen erkennen können, wie, warum und an welche antiken Ereignisse, Persönlichkeiten, Symbole und Bauwerke der Diktator Mussolini anknüpfte. Eine weitere damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Fragestellung war die nach dem geschichtskulturellen Umgang der italienischen Gesellschaft mit den antikisierenden faschistischen Relikten im aktuellen Stadtbild. Nachdem die faschistische und nationalsozialistische Geschichte beider Staaten eng miteinander verwoben ist, bildeten die Folgen der deutschen Besatzungsherrschaft und Formen der Erinnerung an NS-Verbrechen im deutsch-italienischen Vergleich einen zusätzlichen Schwerpunkt.

Trotz dieser ambitiösen Fragestellung, durch die beide Epochen miteinander ins Verhältnis gesetzt werden sollten, behielten beide Zeitabschnitte ihren Eigenwert und wurden in geteilten Gruppen auch dementsprechend untersucht und behandelt.

 

Kooperation Universität – Schule

Mit dem Paul-Pfinzing-Gymnasium Hersbruck und der Geschichtslehrerin Barbara Raub (OStR) verbindet den Lehrstuhl Didaktik der Geschichte schon seit 2019 eine enge Kooperation, bei der Lehramtsstudierende des Fachs Geschichte Unterrichtserfahrung in der Schule sammeln und mit Schüler:innen unterschiedliche Vermittlungsformate erproben können: Gedenkstättenfahrten, Podcastproduktionen, Unterrichtsbesuche und -durchführung sowie mehrtägige Exkursionen.

Auch bei dem aktuellen Kooperationsvorhaben ging es um eine Exkursion historischen Inhalts, die jedoch die Besonderheit hatte, dass die Potenziale und inhaltliche Expertise gleich von zwei Universitätsseminaren miteinander verknüpft wurden, indem sie sich einer spezifischen Fragestellung unter Förderung der historischen Sach- und Urteilskompetenz widmeten: Erarbeitet und beurteilt werden sollte die Instrumentalisierung der Antike durch die Diktatur in der faschistischen Ära zwischen 1922 bis 1943 am Beispiel Roms.

Leonard Stöcklein und Nadja Bennewitz bestritten mit ihren Seminaren mit je sechs Studierenden die beiden Themenfelder „Rom in der Antike und im Faschismus“, wobei es jeweils sowohl um die historischen Entwicklungen als auch um deren erinnerungskulturellen Umgang ging. Durch die Begrenzung der Seminare auf jeweils sechs Teilnehmende sollten die Lehramtsstudierenden von der engen, individuell zugeschnittenen Betreuung der Dozierenden profitieren, um dem hohen inhaltlichen Anspruch des Seminars nachkommen zu können. Ziel war es, dass 24 Gymnasialschüler:innen der 11. Jahrgangsstufe von Geschichtsstudierenden inhaltlich auf eine 5-tägige Exkursion in die italienische Hauptstadt vorbereitet würden. Vor Ort sollten sie – didaktisch durchdacht – die erarbeiteten Inhalte an den historischen Stätten vertiefen. Die Teilnahme der Schulklasse erfolgte auf freiwilliger Basis, was sich rückblickend als vorteilhaft für Motivation und Mitarbeit der Schülerschaft erwies.

 

Verlaufsskizze des Kooperationsprojektes

Die beiden Hauptseminare von Nadja Bennewitz und Leonard Stöcklein bestanden jeweils aus acht Seminarsitzungen an der Universität sowie aus zwei Doppelstunden Geschichtsunterricht am Paul-Pfinzing-Gymnasium, die von den Studierenden allein oder zu zweit durchgeführt wurden. Zwei der Seminarsitzungen – die erste vorbereitende und die letzte zur Nachbesprechung – absolvierten die Seminare von Bennewitz und Stöcklein gemeinsam. Darüber hinaus bearbeitete jedes Seminar, zwar in ständigem Austausch, doch voneinander unabhängig, die jeweiligen inhaltlichen Fragestellungen und Themengebiete.

Als allgemeine Anforderungen an die Studierenden wurde eine kontinuierliche und intensive Mitarbeit erwartet, die Lektüre der vorgegebenen Literatur, auch eigenständiges, weiterführendes Recherchieren, das Halten eines mündlichen Referates mit Thesenpapier, die Abhaltung einer Unterrichtsstunde im Paul-Pfinzing-Gymnasium, die Übernahme einer Lehreinheit an einer historischen Stätte in Rom sowie Leitungs- und Betreuungsaufgaben während der Exkursion. Abschließend werden die Studierenden eine umfangreiche fachdidaktische Hausarbeit schreiben, die das Erarbeitete wiedergeben und reflektieren soll und benotet wird (Abgabe: Anfang Oktober 2024). Außerdem machten die Dozierenden ein starkes Interesse an dem Themenspektrum und Freude bei der didaktischen Arbeit mit Jugendlichen zur Voraussetzung der Teilnahme. Somit gingen die Anforderungen weit über das in einem Hauptseminar Erwartete des geschichtsdidaktischen Aufbaumoduls hinaus. Die Studierenden sollten von einem Schub an Professionalisierung und Erfahrungszuwachs für das weitere berufliche Fortkommen profitieren. Außerdem konnten die beiden Universitätsdozierenden den Studierenden durch die Akquise von Universitäts- und Stiftungsgeldern einen nur geringen finanziellen Eigenanteil zusagen, den sie zu begleichen hatten. Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass sich alle beteiligten Studierenden mit großem Engagement und Begeisterung den Themen und der Umsetzung gewidmet haben.

Eine gemeinsame Auftaktveranstaltung beider Seminare mit der kooperierenden Lehrkraft Barbara Raub führte die Studierenden durch Impulsreferate der Dozierenden sowohl inhaltlich als auch topografisch in die Seminarinhalte und in das Exkursionsziel Rom ein. Bereits hier wurden die Referatsthemen verteilt und das genaue Exkursionsprogramm besprochen. Um zudem eine Professionalisierung der Studierenden anzubahnen, galt der Kontakt mit der Lehrkraft und der Austausch mit ihr auf Augenhöhe als essenziell. Sie als Kennerin der Klasse konnte den Studierenden wertvolle Hinweise geben und für mögliche Problemlagen sensibilisieren. Die Studierenden profitierten von ihrer pädagogischen Expertise praxisnaher Tipps für die Unterrichtsgestaltung.

 

Vorbereitung

In der mehrmonatigen Vorbereitung der beiden Seminare hatten die Dozierenden Nadja Bennewitz und Leonard Stöcklein ein kohärentes Konzept zur Verknüpfung von Antike und Faschismus durch adäquate Fragestellungen und Thesenbildungen erstellt. Hierzu wählten sie entsprechende fachwissenschaftliche Literatur aus der Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Politikwissenschaft und Archäologie aus und entwickelten in fachdidaktischer Perspektive Narrationen der unterschiedlichen Themenkomplexe und historischen Orte entlang der aufgeworfenen Thesen und Fragestellungen.

Damit öffneten die beiden Dozierenden den Studierenden Wege zur wissenschaftlichen Grundierung und leisteten Hilfestellungen bei der zeitlichen und inhaltlichen Eingrenzung der historischen Themen durch gezielte Vorschläge der Quellenauswahl und Fachliteratur. Zwar liegt umfangreiche Fachliteratur zum italienischen Faschismus in deutscher Sprache vor, doch mussten spezifische Fragestellungen, die sich um den erinnerungspolitischen Umgang vor Ort drehten, von der Dozentin ins Deutsche übersetzt werden, um den Studierenden die inneritalienisch geführten Debatten und Positionen im Detail zu verdeutlichen.

Insbesondere auch bei der Konzeptionalisierung und Präzisierung der Fragestellungen der einzelnen Themen in Bezug zur übergeordneten Verknüpfung von Antike und Faschismus waren die Dozierenden in ihrer leitenden Funktion gefordert.

 

Die Arbeitsschritte der Studierenden

Folglich mussten die Studierenden mehrere Arbeitsschritte durchführen, um von der eigenen Expertise zur Vermittlungsebene im Unterricht und schließlich am außerschulischen Lernort zu gelangen.

So arbeiteten sie sich zunächst fachlich in die Inhalte ein. Im zweiten Schritt ging es darum, diese Inhalte auf ihr didaktisches Potenzial hin zu überprüfen und geschichtsdidaktisch fundiert im Geschichtsunterricht umzusetzen. Zum dritten erarbeiteten sie Vermittlungskonzepte, wie weiterführend die historischen Inhalte in Rom vor Ort vermittelt bzw. selbst erkundet werden konnten. Obwohl die wenigsten schon mal in Rom waren, mussten sie in der Stadt selbst die historischen Stätten schnell räumlich erfassen und sich orientieren, um sogleich mit den Schüler:innen gezielt und souverän die Erkundungen vorzunehmen und anzuleiten. Nicht zuletzt war es geboten, für die anderen Studierenden Handouts zu erstellen und die Arbeitsblätter mit einem Erwartungshorizont zu versehen, da diese jeweils eine Schüler:innengruppe im Arbeitsprozess begleiteten, wenn sie nicht selbst die Lehrenden waren. So sollten die Komiliton:innen wissen, wie sie in ihren Kleingruppen mit den Schüler:innen zu arbeiten hätten.

Somit waren mehrere intensive Arbeitsphasen zu absolvieren.

 

Exkursion: Praktische Umsetzung

Die Exkursion nach Rom erfolgte in den Tagen vom 30.06. (Nachtfahrt mit einem Busunternehmen) bis zum 06.07.2024 (wiederum per Nachtfahrt nach Hause). Aufgrund der Bezuschussung durch die Philosophische Fakultät und den Fachbereich Theologie und einer finanziellen Zusage der Gerd-von-Coll Stiftung konnte der Eigenanteil der Studierenden gering gehalten werden. Untergebracht war die inklusive weiterer Begleitpersonen der Universität aus insgesamt 50 Teilnehmer:innen bestehende Reisegruppe in einer schlichten, doch vollkommen funktionalen Unterkunft südöstlich des Hauptbahnhofes mit großen Aufenthaltsräumen und einem Garten, erreichbar durch eine Trambahn. Das Angebot, mittags einen Vesperbeutel für alle von der Unterkunft zu erhalten, wurde dankbar angenommen, da so die Zeit der Mittagspause ohne Supermarkt- oder Bar-Suche entspannter wurde und auch zeitlich nicht ausuferte.

Die beiden Universitätsdozierenden blieben auch während der Exkursion tätig. Die logistische Herausforderung bestand nämlich darin, die Teilnehmenden täglich in zwei – bestenfalls etwa gleichgroße – Neigungsgruppen für die Themen „Faschismus“ oder „Antike“ aufzuteilen. Zum einen sollte die freie Entscheidung für einen Themenkomplex die Lernmotivation erhöhen, was teilweise tatsächlich der Fall war. Zum anderen konnten so die An- und Abfahrten mit den (meist überfüllten) öffentlichen Verkehrsmitteln zu den jeweiligen Exkursionspunkten in der römischen Innenstadt bewerkstelligt werden. Dabei mussten Pausen und Toilettengänge zwischen den Programmpunkten mit eingeplant und gemeinsame Treffpunkte festgelegt werden, weil die beiden Gruppen aus inhaltlichen Gründen immer wieder zusammenkommen sollten. Da den Dozierenden Rom und das Öffentliche Verkehrssystem bekannt war, konnte dies die Studierenden, die sich auf die inhaltliche Durchführung vor Ort konzentrieren sollten, entlasten. Gleichwohl aber mussten die Studierenden in ihrem Themenfeld so firm sein, dass ihnen die örtliche Orientierung und die für die Schüler:innen angeleitete Begehung und Vermittlung leicht fallen würde.

 

Exkursion: Inhaltliche Schwerpunktsetzung

Die Exkursion wurde inhaltlich folgendermaßen strukturiert.

Erstens: Die Antike

Historische Stätten, die hauptsächlich wegen der antiken Geschichte aufgesucht wurden, so das Forum Romanum, das Theater und die Kurie des Pompeius auf dem ehemaligen Marsfeld, das Pantheon, das Stadion des Domitian/Piazza Navona und die Marc-Aurel-Säule zum Verständnis des Marsfeldes in der Kaiserzeit, die Via Appia mit ihren Grabmalen und einem Aquädukt, der Stadtteil Trastevere mit den Spuren der jüdischen Besiedlung, das Forum Boarium sowie das Kapitol.

 

Zweitens: Faschismus und NS-Besatzung

Historische Stätten, die durch die Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus geprägt wurden, wie Mussolinis Regierungssitz im Palazzo Venezia an der gleichnamigen Piazza im Zentrum Roms, die angrenzende Via dei Fori Imperiali, einst Via dell’Impero, die die archäologischen Ausgrabungen im Stadtzentrum durch eine gigantische Aufmarschstraße durchschnitt und noch heute Spuren der faschistischen Selbstdarstellung enthält, die „Via degli Zingari“, wo sich heute eine Gedenktafel zur NS-Verfolgung der Sinti und Roma befindet, die ehemalige Gestapozentrale in der Via Tasso als Ort von Gefangenschaft und Folter unter NS-Besatzung, die Via Rasella als Austragungsort des militärischen Anschlags der römischen Widerstandsbewegung und die Gedenkstätte an den Ardeatinischen Höhlen, in der die nationalsozialistischen Machthaber ein Massaker an der italienischen Bevölkerung hatten durchführen lassen.

Zur Teilnahme an diesen unterschiedlichen Exkursionszielen zu Antike/Faschismus konnten sich die Schüler:innen frei entscheiden, angeregt durch studentische kurze Einführungen, die, wenn zeitlich machbar, vorab von ihnen gegeben wurden.

Die Stätten des dritten und wichtigsten Punktes sollten die Verknüpfung zwischen Antike und Faschismus am sichtbarsten machen und wurden von der gesamten Exkursionsgruppe gemeinsam aufgesucht:

 

Drittens: Verknüpfung von Antike und Faschismus

Das Foro Italico, ehemals Foro Mussolini, war die Spielstätte der faschistischen Jugendorganisation Balilla und wurde in den 1930er Jahren im Norden der Stadt am Fuße des Monte Mario errichtet, ähnlich den Sportkampfstätten der Antike umgeben von Natur und freier Sicht. Es handelt sich um einen politisch stark aufgeladenen baulichen Erinnerungskorpus und ist eines der bedeutendsten Relikte der faschistischen Architektur für sportliche Festivitäten, das den Fall des Faschismus überstanden hat und unkommentiert bis heute für sportliche Aktivitäten genutzt wird. Angefangen mit dem Obelisken am Sportstätteneingang, einst antikes Siegeszeichen über Ägypten, hier mit der Inschrift „Mussolini Dux“ versehen, sind auch die umfangreichen kunstvollen Bodenmosaiken, die antike Kunst zur Ausschmückung der Villen Roms aufgreifend, Ausdruck faschistischer Ideologie und ungebrochen auf den „Duce“ Mussolini ausgerichtet. Auf den Mosaiken ebenso omnipräsent sind die für den Faschismus namensgebend gewordenen Fasces/Rutenbündel, einst antikes republikanisches Amtszeichen mit Beilen als Machtsymbole. Weitere Mosaiken zeigen die Unterwerfung Äthiopiens und versinnbildlichen damit die Ausrufung des „Imperiums“. Zu sehen sind dort weitere zahlreiche sich wiederholende faschistische Losungen.

Die Instrumentalisierung von Geschichte durch Diktaturen wurde zudem exemplarisch am antiken Augustusmausoleum und seiner Freilegung 1937 durch Mussolini deutlich gemacht. Mussolini nutzte die identitätsstiftende Kraft von Jubiläen, um die Bevölkerung auf die faschistische Ideologie einzuschwören, so den 2000. Geburtstag von Kaiser Augustus, zu dem er eine direkte historische Verbindung herzustellen gedachte. Anlässlich dieses Jahrestages wurden rund um das durch ihn freigelegte Mausoleum an der neu geschaffenen „Piazza Augusto Imperatore“ Neubauten mit faschistischen Inschriften errichtet, die auf die Antike Bezug nehmen. Gleichzeit wurde die rekonstruierte Ara Pacis versetzt und neben dem Mausoleum aufgestellt, um sich in Anlehnung an Augustus als „Friedensbringer“ zu inszenieren.

Dass das ehemalige römische Ghetto am letzten Tag ebenfalls als große Gruppe gemeinsam aufgesucht wurde, hatte den Hintergrund, dass hier die deutsche Verantwortung für die Deportation der jüdischen Stadtbevölkerung ab Oktober 1943 thematisiert wurde, es also nicht nur um Aufarbeitungsmodi in Italien, sondern um eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen deutschen Erinnerungspolitik wegen verübter NS-Verbrechen gehen sollte.

Nicht zuletzt trugen an diesem geschichtlichen Ort die Schüler:innen eigenständig Präsentationen zum Thema Shoa vor, da sie sich in dieser Thematik inhaltlich sicher fühlten und sich bereits zuhause unter Anleitung ihrer Lehrerin Barbara Raub eingearbeitet hatten. Zudem erfolgte ein partizipatives Projekt in Form einer szenischen Lesung literarischer Texte zur Rekonstruktion der historischen Ereignisse 1943 im ehemaligen römischen Ghetto von Seiten der Schüler:innen.

Nicht zuletzt spielte jüdische Geschichte als Querschnittsthema auch an anderen historischen Stätten eine Rolle, so im Stadtteil Trastevere, wo sich in der Antike das größte jüdische Wohnviertel befand, oder auf dem Forum Romanum an der Titus-Säule. Durch diesen historischen Längsschnitt jüdischen Lebens in Rom von der Antike bis in das 20. Jahrhundert sollte in Anlehnung an eine Anti-Antisemitismus-Pädagogik dem im Unterricht durch die schwerpunktmäßige Behandlung der NS-Geschichte allzu oft vermittelten „Opfernarrativ“ in Bezug auf jüdische Geschichte entgegengewirkt werden.

 

Exkursion: Zwischenevaluation

Nach der Hälfte der Exkursion leiteten die Dozierenden gemeinsam mit den Studierenden eine abendliche Evaluationsrunde zwischen Studierenden und Schüler:innen an, um das bislang Geleistete kritisch unter folgenden Fragestellungen zu reflektieren: Was hat Sie als Schüler:innen bislang überrascht? Welche neuen Erkenntnisse sind gewonnen worden und wo sehen Sie als Schüler:innen konkret einen persönlichen Wissenszuwachs? Fühlen Sie sich manchmal inhaltlich überfordert? Wie funktioniert die Interaktion zwischen angehenden Lehrkräften und den Schüler:innen? Ist Ihnen die inhaltliche Verknüpfung zwischen Faschismus und Antike bei den einzelnen Programmpunkten klar geworden? Wo verorten Sie dies konkret?

Generell erfreuten sich die jungen angehenden Lehrkräfte bei den Schüler:innen einer großen Beliebtheit, da sie als der eigenen Peergroup nahe stehend erlebt wurden, weshalb man ihre Vermittlungsart zu schätzen wusste und sie auch respektierte – zumal diese ja wiederum unter der „Aufsicht“ ihrer Dozierenden standen, was den Schüler:innen durchaus bewusst war. Inhaltlich hatten zumindest diejenigen, die einen Redebeitrag leisteten, die Instrumentalisierung der Antike durch die faschistischen Machthaber erfasst und konnten dies auch am Beispiel des Foro Italico und des Areals am Augustusmausoleum und der Ara Pacis verdeutlichen.

Auf Anregung der Lehrerin Barbara Raub übernahm eine Studentin die Aufgabe, für die Regionale Tageszeitung in Hersbruck einen Artikel mit fotografischen Eindrücken der Erkundungen und Besichtigungen in Rom als Bericht über die kooperative Exkursion zu schreiben. Dieser Artikel fand mit leichter Überarbeitung Anklang bei der Zeitungsredaktion und ging wenige Tage nach der Reise in Druck.

 

Reflexion

Im Verlauf des Projektes war zwischen Schulbesuchen und Reiseverlauf ein sichtbarer Reifeprozess und ein selbstbewussteres Auftreten bei den Studierenden gegenüber der Schulklasse zu beobachten. Die Studierenden waren auch, wie sie betonten, sehr angetan von der Motivation und der engagierten Mitarbeit der Schüler:innen und dem ihnen entgegengebrachten Interesse. Darüber hinaus waren die Studierenden durchweg bereit, Kritik, Ideen und Verbesserungsvorschläge von Seiten der Dozierenden anzunehmen, was in Universitätsseminaren nicht immer automatisch der Fall ist, da die Sinnhaftigkeit theoretischer Diskurse ohne das Gegenüber der Schülerschaft von den Studierenden oft nicht erfasst wird. Der wiederkehrend geläufigen Kritik vieler Studierender, dass das Lehramtsstudium in der ersten Ausbildungsphase allgemein zu wenig Praxisbezug aufweise, konnten wir mit unserem Projekt überzeugend das Gegenteil zeigen.

Was erfreulicherweise durchweg konstatiert werden kann: Alle beteiligten Studierenden fühlten sich durch dieses Projekt in ihrer Entscheidung für den künftigen Lehrberuf bestärkt!

Aus diesen Gründen würden wir dieses oder ein ähnlich aufgebautes Projekt jederzeit wieder vorbereiten, organisieren und durchführen, um Studierenden die Möglichkeit und den Raum zu geben, selbst lehrend tätig zu werden und didaktische Konzepte zu erproben. Uns erscheint das Zusammenspiel zwischen universitärem Seminar, Vorbereitung im schulischen Unterricht sowie die Exkursion selbst mit leichten Anpassungen übertragbar auf die Fächer Politik, Sozialkunde und Soziologie oder auch auf die Fächer und Fachrichtungen Kunst, Kunstgeschichte oder Architektur.